Immer schneller in die Zukunft

Jutta dos Santos Miquelino
August 15, 2021
Immer schneller in die Zukunft

Die Zukunft ist schneller als Sie denken. Es geht nicht darum, ob Sie sich ändern müssen, sondern darum, wie schnell Sie es schaffen können.« – dieses Zitat des Autoren Peter Diamandis, einer der laut dem Magazin Forbes 'Top 50 Leaders of the World', beschreibt, wie sich nachhaltige Veränderungen in atemberaubendem Tempo vollziehen und bisher unmöglich Geglaubtes zur neuen Realität wird. Technologie verändert unsere Welt auch weiterhin noch viel schneller und umfangreicher als wir es uns gerade vorstellen können. Vielen Menschen stehen heute Ressourcen zur Verfügung, die vor einigen Jahrzehnten nur wenigen Menschen zugänglich waren. So ist zum Beispiel schnelle Rechenkapazität durch immer leistungsfähigere Computer bezahlbar geworden, der Zugang zu Kapital ist durch Crowdfunding viel einfacher, durch digitale Prozesse und hohe Konnektivität spart man Zeit und Plattformen ermöglichen Menschen und Unternehmen, in Sekunden konkret und direkt über Ideen und Produkte mit einem Millionenpublikum zu kommunizieren und damit Einfluss zu nehmen.

Werte vermitteln und konsequent sein

Was bedeuten diese umwälzenden Veränderungen für Unternehmen? Sind sie auf dem richtigen Weg? Welche Maßnahmen sind jetzt am dringendsten? Welche Veränderungen ergeben sich aus den neuen Bedürfnissen der Zielgruppen, auch als Folge der Pandemie? Diesen Fragen ist die Innovationsberatung ... and dos Santos im Auftrag eines Luxuskosmetikherstellers nachgegangen und kam zu spannenden Erkenntnissen, die auch für andere Unternehmen der Beauty- Branche von Nutzen sein können. Hier konzentrieren wir uns dabei auf drei Schwerpunkte: Kundenzentrierung, Transparenz und Data Driven Experience.

Eines ist klar: Das Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse hat stark zugenommen. Je mehr Möglichkeiten wir haben, desto mehr müssen wir uns auf das konzentrieren, was für uns wirklich wichtig ist. Und je mehr Bedrohungen wir fürchten, zum Beispiel den unaufhaltsamen Klimawandel oder den Verlust unserer Gesundheit durch unsichtbare, aber tödliche Viren, desto mehr müssen wir nach Innen schauen, um zu finden, was uns beruhigt und mit anderen verbindet. Wie können Unternehmen auf diese Entwicklung reagieren? In dem sie sich selbst auf ihre zentrale Werte besinnen, diese klar kommunizieren und in die direkte Verbindung zu ihrer Zielgruppe investieren. Dafür lohnt es sich zu reflektieren, worauf man schon in den vergangenen Jahren Wert gelegt hat. Wenn wir beratend mit unseren Kunden ins Gespräch gehen, sagen diese oftmals: »Wir sind eigentlich schon viel nachhaltiger in der Herstellung unserer Produkte, als es unsere Kunden wissen.« Oder auch: »Wir haben nur Fachkräfte in unserer Produktion und keine Aushilfen, weil bei uns die Qualität an erster Stelle steht.« Das sind doch lobenswerte Statements. Warum werden solche Aussagen nicht kommuniziert?

Haltung zeigen und Position beziehen

Die Konsumenten erwarten jedenfalls eine klare Haltung – auch zu gesellschaftskritischen Themen, ob nun Klima oder Inklusion. Werte bestimmt zu leben, das bedeutet dabei auch, sich für das Leben einzusetzen. Unternehmen, die Menschen, Tiere oder den Planeten ausbeuten, werden zunehmend öffentlich abgestraft. Ein Beispiel dafür ist die Fast Fashion Kette Forever 21. Sie musste sich 2020 mit heftigen Protesten von Peta-Aktivisten auseinandersetzen. Es ging darum, wie das Unternehmen Schafe für die Herstellung der Wollpullover behandelte.

Es geht aber auch anders: So zeigt zum Beispiel die Designerin Stella McCartney, dass Luxusprodukte rücksichtsvoll produziert werden können und sich mehr und mehr Konsumenten dafür begeistern. Auch globale Konzerne starten milliardenschwere Initiativen, um sich für die Zukunft unseres Planeten einzusetzen. Microsoft strebt zum Beispiel an, bis 2030 CO2-negativ zu sein und seine bisherigen CO2-Emissionen seit Konzerngründung bis 2050 zu revidieren. Dafür investierte das Technologieunternehmen eine Milliarde US-Dollar in einen Klimainnovationsfonds. Und Amazon-Gründer Jeff Bezos hat zehn Milliarden US-Dollar in die Gründung seines Earth Funds investiert, um Entwicklungen zu fördern, die den Klimawandel bremsen können.

Für Transparenz sorgen

Nicht alle Unternehmen haben natürlich die gleichen finanziellen Mittel wie die großen Player. Welche Möglichkeiten bleiben also Beauty-Unternehmen, die keine Milliarden investieren können? Sie sollten reflektieren, was schon auf den Weg gebracht wurde, sich an den UN-2030-Zielen orientieren und darauf Initiativen aufbauen. Dabei ist es wichtig, in der Kommunikation so transparent wie möglich zu werden. So informiert zum Beispiel La Mer darüber, welche Projekte seit 2010 mit dem Blue Heart Fond unterstützt werden, der sich dem Schutz maritimer Lebensräume verschrieben hat. Ambassadeure wie der französische Umweltaktivist Philippe Cousteau sorgen für Glaubwürdigkeit. Und auch, dass das Unternehmen klar kommuniziert, dass sich tierische Bestandteile wie Muscheln und Krebse nicht ausschließen lassen, wenn die Rezeptur Meeresschlickextrakt enthält. Dazu wird transparent Stellung genommen.

Das ist wichtig, denn Initiativen müssen wahrhaftig sein. Vor allem die jungen Zielgruppen wollen es ganz genau wissen und recherchieren oftmals sehr sorgfältig vor dem Kauf. Wenn Unternehmen Greenwashing betreiben, wird nicht nur von den Konsumenten zunehmend abgestraft, sondern auch die eigenen Mitarbeiter fühlen sich damit unwohl. Das mag sich vielleicht in den aktuellen Umsatzzahlen noch nicht niederschlagen, doch das steigende Bewusstsein für den Klimaschutz ist Fakt und beeinflusst das Konsumverhalten zunehmend. Nicht nur mit Blick auf die transparente Kommunikation ihrer Umweltinitiativen können Unternehmen punkten.

Auch die klare Kommunikation zu den Inhaltsstoffen ist für die Verbraucher zunehmend wichtig. Nicht zuletzt, da die Gesundheit laut PMG Presse-Monitor seit 2020 bei Jung und Alt das dominierende Thema ist. Hier sollten Unternehmen reagieren, denn die Verbraucher wünschen sich weniger 'Ingredient Jargon'. Aufstrebende Marken in den USA wie The BeautyCounter werben zum Beispiel mit der 'Never List', also Inhaltsstoffen, die sie in ihren Kosmetika nicht zulassen. Lancôme hat den Wunsch nach Klarheit mit einer Reihe von Videos entsprochen, in denen die Inhaltsstoffe des Advanced-Génifique-Serums erklärt, die Bedeutung von Probiotika diskutiert und die Verbraucher ermutigt werden, Produkte nicht gedankenlos anzuwenden, ohne zu wissen, was darin ist. Um die Rohstofflieferkette im Blick zu behalten, können Technologien wie die Blockchain helfen, einen sicheren Fußabdruck zu garantieren.

Marken, die mit offenen Karten spielen können, werden künftig sicher bevorzugt. Paulas’s Choice gilt als Vorreiterin in Sachen Transparenz bei den Inhaltsstoffen und erklärt ausführlich, welche Standards bei der Auswahl gelten. Die Marke zeigt stetes Wachstum – ein Peeling mit Alphahydroxy- und Betahydroxysäure in limitierter Auflage war in kürzester Zeit ausverkauft und verzeichnete eine Warteliste mit 11.000 Personen bei Sephora.

Data Driven Experiences: Zielgruppen binden

Auch zum Thema Data Driven Experiences gibt es einige Beispiele. Bleiben wir kurz bei Sephora: Der Online-Umsatz erreichte 2020 ein Allzeithoch und ist dabei, die Umsätze von Amazon im Beauty-Bereich in den USA zu überholen. Das Sephora-Treueprogramm mit 25 Millionen-Mitgliedern basiert auf einem erstklassigen CRM-System und richtet sich insbesondere an Millennials, die an Luxusartikeln interessiert sind. Die Partnerschaft mit Zalando ist ein weiterer kluger Schachzug, um auch in Europa noch erfolgreicher zu werden und Kunden gezielt zu binden.

Ein gebürtiger Oldenburger ist ein weiteres Beispiel für Data Driven Experiences und zeigt, wie rasant sich Nischenmarken etablieren können. Der Influencer Jeremy Fragrance erreicht über 4,5 Millionen Follower in den sozialen Medien, trägt den Titel ‚Best Fragrance Influencer of the World‘ und unterhält seine Follower mit ungeschminkten Aussagen über Düfte sowie zu Ernährung und Motivation. Zusammen mit seinem Bruder betreibt er Fragrance.One und erreicht achtstellige Umsätze mit sechs Düften, die nur Online erhältlich sind. Der Clou? Jeremy setzt auf die 'Power of the Crowd', die seine Düfte empfehlen. Die Namen der Kreationen entsprechen zudem Google-Suchanfragen. Die Menschen suchen dort zum Beispiel nach Düften fürs Office oder das erste Date. Jeremy verspricht seinen Kunden, dass der Duft zu dieser Gelegenheit ihnen die meisten Komplimente bringen wird. Während andere viel Geld in die Entwicklung von Konzepten und Produktnamen stecken, fragen die zwei Brüder also einfach die größte Suchmaschine der Welt, was nachgefragt wird.

Neues Gravitationszentrum Indopazifik

Kommen wir zu einem letzten wichtigen Punkt: Wer sich als Unternehmen im globalen Umfeld bewegt, hat seinen Blick schon fest auf Asien gelenkt. Wer dort die Zielgruppe der zahlungskräftigen Millennials für sich gewinnen will, muss die asiatischen Kulturen verstehen und konkret adressieren. Fast neun von zehn Millennials leben heute schon in Schwellenländern. Allein die chinesischen Millennials übertreffen die Gesamtbevölkerung der USA. Und sie werden mit ihren Motivationen, Vorlieben und Entscheidungen unsere westliche Gesellschaft nachhaltig verändern.

»Nicht mehr der Atlantik ist das Gravitationszentrum der Welt, sondern der Indopazifik«, sagt Ex-Außenminister Sigmar Gabriel. Wer auf diesem Terrain gewinnen will, sollte sich idealerweise die entsprechende Expertise direkt ins Unternehmen holen, denn in Asien haben Data Driven Experiences schon längst eine ganz andere Dimension erreicht.

Perfect Corp, das weltweit führende Augmented-Reality-Unternehmen, hat mit der Alibaba-Gruppe seine virtuelle Anprobetechnologie 'YouCam Makeup AR' in Online-Shopping-Erlebnisse integriert. Nur sechs Monate nach dem Start der AR-Technologie gab Alibaba bekannt, dass man die Conversion-Rate um das Vierfache gesteigert habe. Innovative Technologien verbessern das Produkt- und Einkaufserlebnis für die Kunden »In den nächsten drei Jahren wird innovative Technologie der Schlüssel zu mehr Umsatz sein. Gerade in der Beauty-Branche wird die Technologie für junge Generationen die größte Veränderung beim Kauf von Produkten mit sich bringen!«, sagt Mike Hu, Chef der chinesischen B2C-Plattform Tmall Beauty aus dem Alibaba-Universum.

Artificial Intelligence hilft beim Verständnis

Viele Unternehmen experimentieren bereits mit Hilfe von AI an personalisierter Kosmetik, beispielsweise L’Oréal, Olay, Clinique sowie Nischenmarken wie Proven Skincare. Wichtiger als schneller Profit sind die Erkenntnisse über die Verbraucherwünsche und der Aufbau einer Beziehung zum Kunden, die hier datenbasiert entsteht. Denn die Menschen vertrauen heute in hohem Maße auf Daten und Wissenschaft, um Entscheidungen zu treffen. Für sie ist es viel einfacher und billiger, einen Umfragebogen auszufüllen, als einen Dermatologen aufzusuchen.

Unternehmen müssen deshalb ihre Denkweisen anpassen und ihr Analytics-Sales-Tool zum Analytics-Design-Tool umwandeln. Nur dann können sie verstehen, was die Konsumenten von ihren Produkten erwarten und an ihnen schätzen. Auch McKinsey empfiehlt: »Sie sollten jetzt in Analytik und die Leistungsfähigkeit von verbraucherdatengetriebenen Verkäufen investieren, sonst sind die Kosten dafür zu hoch.«

Bereitschaft zum steten Wandel

Welche Maßnahmen müssen Unternehmen also konkret ergreifen, um den Anschluss nicht zu verpassen? Wie anfangs erwähnt, ist die Zukunft so schnell, dass nur die Bereitschaft für steten Wandel die Antwort sein kann – und die Konzentration auf das Wesentliche. Entscheidend ist, sich jetzt mit der Zukunft auseinanderzusetzen.

Marken müssen überlegen: Wo wollen wir hin? Welche Relevanz wollen wir als Unternehmen in zehn Jahren im Leben unserer Konsumenten haben? Und wie gelingt uns die Transformation in eine bessere Zukunft? Es gilt, diese wichtigen Fragen konkret und individuell zu beantworten.

Links zum Weitersurfen Bloody 'Sheep' Protest Forever 21Microsoft will be carbon negative by 2030Jeff Bezos will spend $1 billion a year to fight climate changePMG Themenrennen – Diese Themen bewegen DeutschlandNearly 100% of consumers call for an end to beauty ingredient jargonThe Never List8 Beauty eCommerce Trends That Will Define the Industry In 2021

Literaturtipp

Peter H. Diamandis: The Future Is Faster Than You Think: How Converging Technologies are Transforming Business, Industries, and Our Lives. Simon & Schuster; 1. Edition (28. Januar 2020).

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Publikation Markenartikel Das Magazin für Markenführung, Ausgabe 09/2021

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