Auswirkungen von KI auf die Werbebranche

Ricardo dos Santos Miquelino
April 10, 2025
Auswirkungen von KI auf die Werbebranche

Status Quo und Ausblick bis 2030

Die Werbe- und Kommunikationsbranche in Deutschland erlebt durch Künstliche Intelligenz (KI) einen tiefgreifenden Wandel. Technologien wie generative KI (beispielsweise Text- und Bildgeneratoren à la ChatGPT, Elevenlabs, oder Midjourney), Programmatic Advertising (automatisierter Mediaeinkauf) und Chatbots (und virtuelle Avatars - siehe auch Delphi) für Kundeninteraktion prägen zunehmend den Alltag von Marketingabteilungen und Agenturen. Deutsche Unternehmen investierten 2024 rund 30,9 Mrd. Euro in digitales Marketing; die Branche beschäftigt etwa 268.000 Personen. Gleichzeitig steigt die Offenheit gegenüber KI stark: 57 % der Unternehmen befassen sich inzwischen mit KI und 20 % setzen KI bereits konkret ein. Vor diesem Hintergrund untersucht dieser Artikel die aktuellen Auswirkungen von KI auf die Werbebranche und wagt einen datenbasierten Ausblick bis 2030. Im Fokus stehen dabei generative KI, Programmatic Advertising und Chatbots – und insbesondere die Konsequenzen für Jobprofile sowie Honorare, Gehälter und Vergütungsmodelle in Agenturen und Marketingabteilungen. Ziel dieses Artikels ist es, Entscheidungsträgern auf Unternehmens- und Agenturseite ein fundiertes Bild des Transformationsprozesses zu vermitteln.

KI in der Werbung (2025)

Künstliche Intelligenz ist 2025 im Marketing angekommen. In vielen Bereichen der Werbung gehören KI-Anwendungen bereits zum Alltag. Sprachmodelle wie ChatGPT, Midjourney oder Runway werden zur automatisierten Inhaltserstellung (Texte, Bilder, Videos, Musik) eingesetzt. Wir befinden uns in einer Phase des Un-Hobbling (Aufgaben-spezifische, ganzheitliche AI Lösungen) wodurch die Nutzung von AI Tools noch einfacher und dadurch für eine noch größere Gruppe von Nutzern zugänglich wird. Programmatic Advertising – der automatisierte, datengetriebene Ein- und Verkauf von Werbeflächen – hat sich schon über die letzten Jahre als neuer Standard etabliert und erzielte 2024 etwa 74 % der gesamten Display-Werbeumsätze (ca. 4,54 Mrd. €) über automatisierte Buchungen. Auch Chatbots haben sich verbreitet: 35 % der deutschen Unternehmen nutzen bereits Chatbots, um Kundenanfragen automatisch zu beantworten. Durch Anbieter wie Heygen oder Delphi halten jetzt auch virtuelle, personifizierte Avatare Einzug in diesem Bereich und machen die Interaktion mit Chatbots für Nutzer noch attraktiver. Wir stehen am Anfang einer neuen Generation von AI Companions, was zu gravierenden Veränderungen in der Kommunikation von Marken, Influencer, Unternehmen ... führen wird. Diese Beispiele zeigen, dass KI bereits heute wesentliche Marketingaufgaben unterstützt und zukünftig noch mehr übernehmen wird – von der Kreation über das Mediaplanung bis hin zum Kundendialog.

Gleichzeitig verändern sich die Anforderungen an Fachkräfte. Laut einer Bitkom-Analyse verlangen rund 8 % aller Marketing-Stellenausschreibungen bereits explizit KI-Kenntnisse. Die Nachfrage betrifft insbesondere Spezialist:innen, die KI-Tools beherrschen und deren Vorteile nutzbar machen können. Neue Berufsprofile entstehen – etwa KI-Trainer oder Datenethiker. Traditionelle Qualifikationen wie Kreativität, Marketing-Know-how und Strategie bleiben jedoch wichtig und werden durch KI eher ergänzt als ersetzt. Insgesamt zeigt sich: Die aktuelle KI-Welle sorgt für einen Qualitätssprung in Effizienz und Personalisierung, verlangt aber zugleich von Unternehmen und Agenturen, Mitarbeiter weiterzubilden und Arbeitsprozesse neu zu denken.

Generative KI

Automatisierung in Kreation und Content-Produktion Generative KI – also KI-Systeme, die eigenständig Inhalte erzeugen – evolutioniert die kreative Arbeit in Werbung und Marketing. Moderne Textgeneratoren (wie GPT-Modelle) können in Sekunden hunderte von Headlines, Werbetexte, Produktbeschreibungen oder Social-Media-Beiträge formulieren. Bild- und Videogeneratoren (z. B. Sora, Midjourney, Runway) erstellen auf Knopfdruck Kampagnenmotive oder Design-Varianten. In deutschen Agenturen und Marketingabteilungen werden solche Tools bereits pragmatisch eingesetzt, um erste Entwürfe und Ideen zu generieren. Und seit 2024 können wir sogar die vollständig mit AI produzierten Werbespots in Deutschland sehen (siehe z.B. Vodafone oder Lacalut).

Type image caption here (optional)

Interessant ist auch, dass die renommierte Agentur Jung von Matt mit JvM Stables ein eigenes generatives KI-Modell entwickelt, das mit 30 Jahren Agenturkreativität trainiert wurde und Routineaufgaben in der Gestaltung übernimmt. Dadurch gewinnen Kreativ-Teams mehr Zeit für konzeptionelle Arbeit und Qualitätssicherung, während das KI-System etwa Bildvarianten personalisiert und skaliert.

Die Auswirkungen auf kreative Jobprofile sind ambivalent. Werbetexter nutzen KI inzwischen als Assistenz, die Vorschläge und Rohtexte liefert. Ihre Rolle verschiebt sich hin zum Kuratieren, Redigieren und Feinjustieren der von KI gelieferten Inhalte. Grafikdesigner und Art Directors erhalten durch Bild-KI eine Fülle von Visualisierungsoptionen und konzentrieren sich stärker auf Konzeptentwicklung und die finale Auswahl/Bearbeitung der KI-Outputs. Diese Ausprägung stehen aber auch dafür, dass die Jobs der heutigen Texter und Grafiker ein deutlich höheren Erfahrungsschatz benötigen, um die neuen Aufgaben zu erfüllen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass obwohl anfänglich Skepsis bestand, ob KI kreativ genug für emotional ansprechende Werbung ist, diese Vorbehalte spürbar sinken. Mit zunehmender Qualität der Modelle wächst das Vertrauen bei Agenturen und Werbungtreibenden, KI als kreativen Partner zu sehen.

Programmatic Advertising: Automatisierter Mediaeinkauf durch KI Im Bereich Mediaplanung und -einkauf hat KI vor allem durch Programmatic Advertising bereits massiv Fuß gefasst. Programmatic Advertising bezeichnet den automatisierten, datengesteuerten Handel mit Werbeplätzen in Echtzeit, oft mittels KI-Algorithmen, die den idealen Nutzer zur idealen Zeit mit der passenden Anzeige ansprechen. In Deutschland werden über 70 % der Online-Display-Anzeigen programmatisch ausgesteuert – Tendenz steigend. KI-gestützte Kampagnenmanagement-Tools optimieren Budgets kanalübergreifend in Echtzeit und übernehmen Aufgaben, die früher manuell durch Mediaberater erfolgten.

Für Media- und Marketing-Fachleute bedeutet dies eine deutliche Wandlung ihres Jobprofils. Klassische Mediabuyer müssen heute vor allem Datenanalysten und Technologie-Experten sein. Routineaufgaben wie Buchungen, Preisverhandlungen oder Platzierungsentscheidungen werden durch KI-Systeme abgenommen. Stattdessen verlagert sich der Fokus auf Strategie: Zielgruppenanalyse, Auswahl der richtigen Kanäle und Plattformen sowie die Definition von Regeln, nach denen Algorithmen optimieren.

Chatbots und KI im Kundendialog Chatbots und konversationale KI-Systeme haben in den letzten Jahren einen festen Platz im Kundenservice und Marketing eingenommen. Immer häufiger begegnen Verbraucher auf Websites, in Online-Shops oder auf Social-Media-Seiten virtuellen Assistenten, die Fragen beantworten oder bei der Produktauswahl helfen. In Deutschland nutzt bereits jedes dritte Unternehmen Chatbots, um Kundenanfragen automatisiert zu beantworten – Tendenz steigend. Diese Bots können rund um die Uhr verfügbar sein, sofort reagieren und eine Vielzahl von Standardanliegen abdecken.

Jobseitig beeinflusst der Chatbot-Trend vor allem Rollen im Kundenservice und Vertrieb. Einfache Anfragen, die früher durch Callcenter-Mitarbeiter oder Community-Manager beantwortet wurden, werden jetzt von KI erledigt. Allerdings verlagern sich menschliche Aufgaben eher, als dass sie komplett entfallen: Menschliche Agents bearbeiten nun vor allem komplexe oder eskalierte Fälle. Zudem entsteht das neue Feld des "Conversation Design" – Spezialist:innen entwerfen die Dialogbäume, Tonalität und Persönlichkeit von Chatbots. Abzuwarten bleibt, inwieweit die neue Entwicklung von virtuellen Avataren führt dazu (siehe Delphi oder Heygen und AI Companions), dass diese Bots noch mehr oder auch neue Aufgaben (Beratung) übernehmen.

Auswirkungen auf Jobprofile und Arbeitsmarkt

Die Beispiele in Kreation, Media und Kundendialog machen deutlich, dass KI die Arbeitswelt der Werbung verändert. Bestehende Jobprofile wandeln sich teils erheblich, und es entstehen neue Rollen. Insgesamt zeichnet sich ein Shift ab weg von Routineaufgaben, hin zu höherwertigen Tätigkeiten: Menschliche Arbeit konzentriert sich stärker auf Strategie, Kreativität, Empathie und die Kontrolle der KI-Systeme.

Honorare, Gehälter und Vergütungsmodelle im Wandel Mit der Veränderung von Aufgaben und Prozessen stellt sich für Unternehmen und Agenturen die Frage nach der angemessenen Vergütung von Leistungen in der KI-unterstützten Werbewelt. Traditionell basieren Agenturhonorare häufig auf Stunden- oder Tagessätzen oder pauschalen Projektfees. Generative KI und Automatisierung könnten diese Kalkulationen auf den Kopf stellen. Einige Branchenexperten diskutieren daher, ob Pauschalvergütungen (Valuebased Compensation oder auch Payment for Performance) wieder an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig entstehen Abo- und Lizenzmodelle.

Für die Mitarbeitergehälter in der Werbung zeichnet sich ein Differenzierungstrend ab. Hochqualifizierte Profile im KI/Tech-Bereich können deutlich höhere Gehälter verlangen als klassische Marketingrollen. Kreative und Berater ohne KI-Spezialwissen werden hingegen kaum Gehaltssprünge allein durch KI erleben. Kultureller Wandel und neues Selbstverständnis der Kreativen

Mit dem Einzug der KI-Technologien vollzieht sich nicht nur ein technischer, sondern auch ein tiefgreifender kultureller Wandel in der Werbebranche. Das traditionelle Selbstverständnis von Kreativen – als Urheber genialer Ideen – wird zunehmend durch das Zusammenspiel mit maschineller Kreativität ergänzt. Die „Creative Genius“ wird zur „Creative Curator“, die KI-Ergebnisse nicht nur nutzt, sondern orchestriert. Dieser Wandel erfordert neue Denkweisen und verändert das psychografische Profil vieler Rollen: Statt nur originell zu sein, gewinnt die Fähigkeit, mit KI-Tools zu interagieren, sie zu dirigieren und dabei Verantwortung für Ethik, Markenwerte und Wirkung zu übernehmen, an Bedeutung. Die Anforderungen an Reflexionsfähigkeit, digitale Neugier und systemisches Denken steigen. Für viele Kreative bedeutet das auch einen emotionalen Wandel – von der Stolz auf die „eigene Handschrift“ hin zur Fähigkeit, ein hybrides Schaffen mit KI als produktive Erweiterung des eigenen Ausdrucks zu begreifen. Gleichzeitig entsteht eine neue Elite: jene, die sowohl kreative als auch technologische Exzellenz verkörpern. Der Wandel betrifft somit auch Agenturkulturen, bei der Kollaboration über Disziplinen hinweg, Offenheit für Experimente und eine lernende, weniger hierarchische Haltung zum Überlebensfaktor in einer zunehmend KI-geprägten Branche werden.

Ausblick bis 2030

Mit Blick auf das Jahr 2030 ist zu erwarten, dass KI aus der Werbebranche nicht mehr wegzudenken sein wird. Viele derzeit noch experimentelle Anwendungen werden ausgereift und selbstverständlich sein. Generative KI dürfte einen festen Platz im Kreativprozess einnehmen. Im Mediageschäft wird Programmatic Advertising weiter dominieren. Chatbots und generell Conversational AI werden 2030 weitaus intelligenter und menschlich ähnlicher agieren als heute.

Was hier noch nicht im Detail berücksichtigt wurde ist, wie sich die abzeichnende Dominanz von AI-Agents ab 2026 auch die Werbebranche noch einmal stark prägen wird. Es ist davon auszugehen, dass wir dadurch noch mehr AI und noch mehr spezialisierte aber auch weniger humane Experten in der Branche sehen werden.

Insgesamt lässt sich aber festhalten, dass KI der Werbewirtschaft Produktivitätszuwächse und neue kreative Möglichkeiten ermöglichen, und auch weiterhin sehr starke, disruptive Veränderungen bei den Arbeitsweisen auslösen wird.

Fazit

Die fortschreitende Durchdringung der Werbebranche mit KI bringt erhebliche Veränderungen – von der Kampagnenkonzeption über die Medienaussteuerung bis zur Kundenkommunikation. Deutschland steht dabei vor der Aufgabe, diese Transformation produktiv zu nutzen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Der aktuelle Lagebericht zeigt: KI ist bereits heute ein Wachstumsfaktor und verändert Qualifikationsanforderungen. Bis 2030 dürfte sich dieser Trend verstärken. Jobprofile wandeln sich, aber es entstehen auch neue Chancen für diejenigen, die sich anpassen. Agenturen und Marketingabteilungen sind gut beraten, KI als Werkzeug zu begreifen, das menschliche Kreativität und Effizienz steigert – nicht als Ersatz für menschliche Einfälle. Honorierungssysteme und Arbeitsmodelle werden sich anpassen müssen, damit Wertschöpfung fair verteilt bleibt, wenn Maschinen einen Teil der Arbeit erledigen.

Unterm Strich bietet KI der Werbung die Möglichkeit, relevanter, personalisierter und wirkungsvoller zu werden. Verbraucher erhalten besser zugeschnittene Botschaften, Unternehmen erzielen höhere Effizienz und Reichweiten. Die Veränderung erfordert jedoch Weitblick: Wer früh Erfahrungen sammelt, ethische Leitplanken etabliert und seine Organisation agil hält, wird in der KI-gestützten Werbewelt von morgen eine führende Rolle spielen. Die kommenden Jahre - nein Monate - sind eine Gestaltungsphase, in der sich entscheidet, wie gut Unternehmen Mensch und KI in der Werbung zusammenbringen.

Die Zukunft der Werbung ist hybrid – eine intelligente Symbiose von kreativem, kollektivem Genius und künstlicher Intelligenz.

Quellenverzeichnis

Bitkom. (2024). Digital Office Index 2024. Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. https://www.bitkom.org

Bitkom. (2025). Wertbeitrag des digitalen Marketings in Deutschland. Pressemitteilung vom 23. Januar 2025. https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Digitales-Marketing-30-Milliarden-Euro

BVDW – Bundesverband Digitale Wirtschaft. (2024). DMEXCO Trendbarometer 2024: Die Zukunft der Mediaagenturen. https://www.bvdw.org

FAZ. (2025, Januar 3). Wie KI-Einsatz den Arbeitsmarkt verändert. Holger Schmidt. https://www.faz.net

Gründer.de. (2024). Gehälter im KI-Bereich: Was Data Scientists & Co. 2024 verdienen. https://gruender.de/ki-gehaelter-2024

Jung von Matt. (2023). JvM Stables: Unser eigenes generatives KI-Modell. Agentur-Case Study. https://www.jvm.com

Online-Vermarkterkreis (OVK). (2024). Online-Display-Werbemarkt 2024: Analyse & Zahlen. https://www.bvdw.org/ovk

StepStone. (2024). Gehaltsreport 2024: Marketing, Medien, Kommunikation. https://www.stepstone.de/gehaltsreport

The Observatory International. (2024). Vergütungsmodelle im Wandel: Wie KI neue Modelle erzwingt. Vortrag von Franziska von Lewinski (W&V Konferenz, 2024).

Statista. (2024). Prognose zum Werbemarkt in Deutschland bis 2030 – Segment: Digitale Werbung. https://www.statista.com/statistics/791943

Indeed Hiring Lab. (2024). Die Zukunft der Arbeit: Wie KI den Stellenmarkt verändert. https://www.hiringlab.org/de

LinkedIn Talent Insights. (2024). Jobtrends im Marketing: KI-Kompetenzen auf dem Vormarsch. https://www.linkedin.com/talent/insights

Delphi.ai / Heygen. (2024). AI Companions und virtuelle Avatare im Marketing. Marktübersicht & Whitepaper. https://www.heygen.com / https://www.delphi.ai

Wirtschaftswoche. (2023). KI ersetzt keine Menschen – aber die, die keine KI nutzen. https://www.wiwo.de

Cookie-Einstellungen